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Abstraktion auf dem Weg von zweidimensionalen Karten zu 3D-Ansichten

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Bei Kartengestaltung und Geo-Visualisierung geht es zum großen Teil um Abstraktion. Um dies zu illustrieren hier ein Beispiel aus meiner Standard-Demokarte aus den Westalpen und eine Perspektivansicht der selben Gegend.

Diese beiden Darstellungen verwenden Abstraktion, d.h. ich weiche bewusst vom Ziel ab, ein möglichst realistisches Bild der gezeigten Gegend zu erzeugen, und zwar jeweils auf sehr unterschiedliche Art und Weise, zum Beispiel:

  • Die Karte verwendet eine orthographische Perspektive mit Blick direkt von oben auf die Erdoberfläche, also eine nicht sehr realistische Darstellung, während die 3D-Ansicht einen deutlich natürlicheren Blickwinkel verwendet (wenngleich von einem Punkt aus, der gewöhnlich für einen Betrachter nicht zugänglich ist).
  • Die 3D-Ansicht zeigt eine realistische Gesamtgeometrie mit Erdkrümmung während die Karte mit einer ebenen, projizierten Basis arbeitet.
  • Die 3D-Ansicht verwendet Farben, die der tatsächlichen Farbe der Erdoberfläche nahe kommen, allerdings nicht so, wie sie eigentliche aus dieser Höhe erscheinen würden. Die Farben in der Karte sind eine abstrakte Darstellung des Typs der Landbedeckung.
  • Die Karte zeigt die Flüsse und Umrisse der Gewässer als Linien, sowie die Wasserflächen in einheitlicher Farbe während die 3D-Ansicht nur das Meer einheitlich färbt.
  • Die 3D-Ansicht verwendet eine realistische Beleuchtungsrichtung und entsprechende Schattierung und stellt Schatten dar, während die Karte mit einer abstrakten Nordwestbeleuchtung arbeitet und die Schattierung nicht streng nach physikalischen Prinzipien erfolgt.

Dies sind nur die wichtigsten Unterschiede, insgesamt scheint es, dass in den meisten Aspekten die Karte stärker abstrahiert und die Perspektivdarstellung folglich realistischer ist, allerdings ist der Realismus der 3D-Ansicht auch begrenzt – sowohl durch offensichtliche Dinge wie dem Fehlen von Wolken wie auch letztendlich durch die Tatsache, dass hier ein dreidimensionales Objekt wie auch in der Karte zweidimensional dargestellt wird.

Ich kann nun versuchen, die verschiedenen genannten Abstraktionstechniken neu zu kombinieren und so neue Arten von Darstellungen zu erzeugen. Einige dieser Kombinationen funktionieren recht gut, andere sind eher ungünstig und wieder andere sind technische schwierig umzusetzen bis hin zu nahezu unmöglich. Hier ein Überblick.

Zunächst kann man beginnend mit der Karte von der Ansicht direkt von oben abweichen und mit einer geneigten Blickrichtung arbeiten. Wie dies aussieht ist hier zu sehen.

Dies ist nach wie vor eine orthographische Perspektive (was heisst sie entspricht einer Ansicht von unendlich weit entfernt) und verwendet auch sonst alle anderen Abstraktionstechniken der Karte. Der Reliefeindruck ist ein wenig anders aber insgesamt betrachtet ist das Ergebnis nicht wirklich wirkungsvoller als bei der klassischen Kartendarstellung. Dies ist natürlich nicht weiter verwunderlich, denn der Stil der Karte und der Reliefdarstellung ist ja ursprünglich für die Kartenansicht entwickelt worden.

Ich kann nun zu einer stärker physikalisch basierten Beleuchtung wechseln und Schatten mit darstellen wodurch sich das Erscheinungsbild deutlich verändert.

Der dreidimensionale Eindruck, den man beim betrachten diese Bildes erhält unterscheidet sich deutlich von der Karte, denn die Hinweise, die unser Gehirn bezüglich der dreidimensionalen Geometrie aus der zweidimensionalen Darstellung erhält sind jetzt deutlich anders. Natürlich kann man Schatten auch in der Kartendarstellung verwenden, das ist jedoch schwierig so umzusetzen, dass es gut wirkt und nicht mehr irritiert als nützt, insbesondere bei einem relativ wenig detaillierten Maßstab wie hier. Aus gutem Grund sind Schatten in der Reliefdarstellung in Karten recht unüblich.

Wenn man nun die abstrakte Färbung entsprechend der Landbedeckung durch eine realistische Oberflächenfarbe ersetzt erhält man ein Bild, was der 3D-Ansicht oben schon recht stark ähnelt. Die Beleuchtungsrichtung ist ein wenig anders, die Atmosphäre ist nicht dargestellt, die Geometrie hat eine ebene Basis und die Perspektive ist orthographisch aber das ist auch schon alles.

Den drei gezeigten Beispielen gemeinsam ist die verwendete Perspektive. Im Vergleich zur zweidimensionalen Karte wird hier das dargestellte Gebiet vertikal komprimiert und das Bild hat einer geringere Höhe. Durch das Relief wird die Oberfläche lokal verschoben, so dass es keine exakte Beziehung zwischen Bildkoordinaten und der geographischen Position meht gibt, im groben entspricht diese jedoch weiter der in der Kartendarstellung. Am wichtigsten ist, dass der Maßstab des Bildes nicht variiert wie er das bei einer normalen Zentralperspektive zwischen Vordergrund und Hintergrund tut. Man kann die Perspektive in dieser Darstellung verändern indem man die Blickrichtung zwischen ‘gerade von oben’ bis hin zu sehr flachen Richtungen variiert. Je flacher man auf die Erdoberfläche blickt umso stärker wird das Relief sichtbar und gleichzeitig verdecken die Berge zunehmend die dahinter liegenden Bereiche während der Gesamtausschnitt der Karte zunehmend vertikal komprimiert wird. Die Beispiele oben verwenden eine Blickwinkel 60° von der Vertikalen geneigt wodurch sich die Bildhöhe vertikal auf die Hälfte komprimiert.

Weil diese Kompression des Kartenausschnitts manchmal recht unvorteilhaft ist, wird oft der Trick verwendet, die Bildebene entgegengesetzt zu rotieren so dass sie wieder parallel zur Erdoberfläche liegt. Man nennt das Vogelperspektive oder in der Kartographie meist plan oblique. Diese macht im wesentlichen nichts anderes also die oben gezeigte orthographische Projektion auf das Seitenverhältnis der Kartendarstellung zurück zu skalieren. Ein schöner Überblick über das Verfahren findet sich hier.

Auf das Beispiel hier angewendet sieht das wie folgt aus – wobei ich die Beleuchtungsrichtung auf Südwest gedreht habe, da sich dies für diese Darstellungsform besser eignet.

Bei dieser Darstellungsform entsprechen die Koordinaten bei flachem Relief auf Meeresniveau denen der normalen Karte. So lange zwei Punkte etwa die gleiche Höhe haben kann man ihren Abstand wie in der normalen Karte messen. Aber dies ist natürlich keine realistische Perspektive, nicht mal ansatzweise wie bei der orthographischen Darstellung.

Was einen großen Reiz der Vogelperspektive für den Karten-Designer ausmacht ist, dass man sie verwenden kann um das erste Gebot der Reliefdarstellung zu umgehen (welches vorschreibt, keine Überhöhung zu verwenden). Das oben gezeigte Beispiel verwendet ein Kompressionsverhältnis von 1:3, was bedeutet, dass es auf einer orthographischen Projektion basiert, bei welcher der Ausschnitt vertikal auf ein Drittel kompromiert ist (das entspricht einem Neigungswinkel von etwa 71 Grad). Je stärker man den Blick neigt umso stärker wird das Relief betont ohne dass man wie bei einer Überhöhung mit einer unrealistischen Geometrie arbeitet. Dennoch sind Verhältnisse von mehr als 1:4 selten sinnvoll, da stärkere Neigungen zu mehr Verdeckung und zu extremen Streckungen der in Blickrichtung liegenden Hänge führt. Die folgenden beiden Bilder zeigen Verhältnisse von 1:2 und 1:4 im Vergleich:

Und hier das Ganze mit natürlicher Oberflächenfärbung und realistischer Beleuchtung mit Schatten:

Keines der gezeigten Bilder außer der Referenzansicht am Anfang verwendet eine normale Zentralperspektive. Der Grund hierfür liegt darin, dass die meisten in Kartendarstellungen verwendeten Abstraktionstechniken bei über das Bild stark variierenden Abbildungsmaßstäben, wie sie bei der Zentralperspektive zwangsläufig auftreten, nur schwer verwendbar sind. Diese Techniken in eine Perspektiv-Abbildung mit stark variablem Maßstab zu integrieren und gleichzeitig eine überzeugenden dreidimensionalen Eindruck zu erhalten, stellt eine große Herausforderung dar. Ich habe einige Aspekte dieses Problems bei den Ansichten von Sewernaja Semlja bereits kurz erläutert und einige erste Ansätze in diese Richtung gezeigt.

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