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Linien zeichnen

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Nachdem ich das, was ich ursprünglich für das letzte Hack-Weekend in Karlsruhe geplant hatte, bereits vorher erledigt hatte, hab ich am letzten Wochenende dann an etwas anderem gearbeitet – was allerdings durchaus im Zusammenhang dazu steht.

Die Darstellung von Linien in Karten ist etwas, was auf den ersten Blick ziemlich einfach erscheint. In der Realität jedoch muss man dabei eine ganze Menge Dinge berücksichtigen, damit die Karte am Ende gut lesbar ist. Eine wichtige Erkenntnis ist insbesondere, dass gestrichelte oder gepunktete Linien meist deutlich schwieriger zu handhaben sind als durchgezogene.

Der OSM-Standardstil verwendet verschiedene Strichelungen, um Feld- und Waldwege (tracks) nach tracktype zu differenzieren sowie Fuß- und Radwege nach Oberflächen-Material (surface). Das funktioniert bei den hohen Zoomstufen ganz leidlich, aber es versagt, wenn man weiter herauszoomt bis zu dem Punkt, dass die Linien oft komplett unleserlich werden, insbesondere in Gebieten mit einem dichten Wege-Netz. Hier einige Beispiele:

Man kann nun versuchen, an der Gestaltung herumzudoktern indem man helle Umrahmungen verwendet, den Kontrast verstärkt oder die Linienbreite ändert aber am Ende muss man einfach erkennen, dass die Strichelung es immer schwierig macht, die Wege in Gebieten mit viel Details als durchgehende Linien zu erkennen. Eine grundsätzlich andere und möglicherweise bessere Lösung wäre, bei diesen Maßstäben nur die wichtigeren Wege einzuzeichnen. Hierfür bräuchte man jedoch einen passende Bewertung, die die Daten nicht unbedingt hergeben und die letztendlich recht subjektiv und vermutlich oft nicht sehr intuitiv wäre. Für manche Kartennutzer wäre es zum Beispiel vielleicht nützlich, wenn man nur die Wege einzeichnet, die Bestandteil von Fern-Wanderwegen sind. Ein lokaler Kartennutzer jedoch hält vielleicht einen anderen Weg für wichtiger, weil er die Kürzeste, bequemste und meistgenutzte Verbindung zwischen zwei Orten in der Gegend darstellt.

Eine Lösung für die Zoomstufen z13 und z14, die ich bereits vor einiger Zeit mal getestet hatte, besteht darin, die Strichelung aufzugeben und die Wege bei diesen Maßstäben als durchgezogene Linien zu zeichnen. Das schränkt die Möglichkeiten stark ein, verschiedene Klassen von Wegen zu unterscheiden – denn man kann dann letztendlich nur noch die Farbe und die Linienbreite variieren und die Farbe ist bei sehr schmalen Linien nur schwer zu differenzieren, denn alle Pixel bestehen am Ende aus einer Mischung zwischen Linienfarbe und Hintergrundfarbe.

Was die Umsetzung dieser Idee bisher verhindert hat ist die Tatsache, dass Radwege im Standardstil traditionell in blauer Farbe dargestellt werden und eine durchgehende blaue Linie einfach intuitiv zu sehr nach einem Wasserlauf aussieht. Die Verwendung von Blau für die Radwege war immer schon ein wunder Punkt aber Versuche das zu ändern sind in der Vergangenheit an den begrenzten Möglichkeiten für die Farben gescheitert. Insbesondere begrenzt die Verwendung von Purpur für die administrativen Grenzen die farblichen Möglichkeiten enorm. Da ich die Purpur-farbenen Grenzen jedoch losgeworden bin, hab ich da jetzt etwas mehr Freiraum.

Die richtige Balance zu finden mit Farben, Linienbreiten und – bei den höheren Zoomstufen – der Strichelung der Linien, ist schwierig aber ich denke, dass das Ergebnis ganz akzeptabel ist. Die Änderung gibt den Fußwegen und Radwegen eine stärkere Gewichtung in der Karte, was in meinen Augen jedoch im Wesentlichen eine Kompensation für die Unter-Gewichtung ist, die sie im Standardstil im Moment haben.

Bei z13 sind alle Linien durchgezogen und variieren in der Breite leicht in Abhängigkeit vom tracktype. Wenngleich diese Unterschiede wohl im Allgemeinen nicht zuverlässig differenzierbar sind kann man wohl zumindest grade1 von grade4 unterscheiden. Fuß- und Radwege sind beide in Rot dargestellt, was man in jedem Fall vom Braun der Fahrwege unterscheiden können sollte.

(die selben Stellen im Standardstil: hier, hier und hier)

Insgesamt ist die Karte damit wesentlich klarer und weniger unruhig. Man kann die einzelnen Wege und ihre Verläufe und Verbindungen deutlich besser identifizieren, insbesondere in dicht erfassten Gebieten. Man verliert dafür allerdings zum Teil die Möglichkeit in weniger dicht erfassten Gebieten die unterschiedlichen Typen von Wegen zu unterscheiden.

Bei z14 ist die Darstellung recht ähnlich, die Unterschiede in der Linienbreite bei Fahrwegen sind etwas stärker und ich verwende eine Strichelung für Wege ohne tracktype – was dem Mapper zeigt, dass hier wichtige Informationen fehlen.

(die selben Stellen im Standardstil: hier, hier und hier)

Bei z15 kommt dann der helle Rahmen hinzu, wie man ihn aus dem Standardstil kennt. Fahrspuren sehen damit genauso aus wie im Standardstil, Radwege sind jetzt jedoch in Purpur gezeichnet und sowohl Rad- als auch Fußwege sind kräftiger und werden deutlicher nach Oberflächen-Material unterschieden – mit langer Strichelung für gepflasterte/asphaltierte Wege, kurzer Strichelung für nicht asphaltierte Wege und abwechselnd langer/kurzer Strichelung für Wege ohne Oberflächen-Information.

(die selben Stellen im Standardstil: hier und hier)

Ich habe auch überlegt, eine dritte Klasse von Wegen zu differenzieren. Der Standardstil hat dies vor einiger Zeit abgeschafft, was zu der etwas merkwürdigen Situation geführt hat, dass highway=path + foot=designated + bicycle=designated in Radweg-Farbe dargestellt wird, highway=path ohne foot/bicycle-Tags jedoch als Fußweg. Aber leider ist die Erfassung in diesem Bereich oft recht inkonsistent so dass eine solche Differenzierung den Nutzen nicht unbedingt verbessert. Die Bedeutung der Farben ist jetzt im Wesentlichen:

  • Purpur: für Radfahrer, üblicherweise auch für Fußgänger geeignet
  • Rot: für Fußgänger, möglicherweise auch für Radfahrer

Bei den höheren Zoomstufen wird dann die Linienbreite der Fuß- und Radwege wie bei den Fahrwegen langsam vergrößert und auch die Strichelung entsprechend verlängert, was die Lesbarkeit weiter verbessern soll.

Die gezeigten Änderungen finden sich hier.

Ich hoffe, dass diese Erläuterungen einen kleinen Einblick darin geben, wie Kartenstil-Entwicklung auf Grundlage systematischer Analyse und Lösung der Probleme funktioniert. Die eigentliche Implementierung der Änderungen ist im Grunde nicht sehr viel Arbeit, aber die Analyse der bestehenden Situation, herauszufinden woran es liegt, dass gewisse Dinge schlecht lesbar sind und die anschließende Justierung der Parameter und die Beobachtung und Analyse, welchen Einfluss diese auf die Lesbarkeit der Karte haben und wie die verschiedenen Farben und Darstellungformen miteinander wechselwirken – und das in unterschiedlichen Gegenden bei unterschiedlichen geographischen Breiten und damit Maßstäben – das ist das, was wirklich Arbeit macht.

Wer sich fragt, was man als Mapper tun kann, um eine besser lesbare Darstellung von Wegen zu fördern:

  • man sollte tracktype und surface erfassen, so weit man davon Kenntnis hat.
  • Nutzungsbeschränkungen, insbesondere foot=* and bicycle=* sind wichtig.
  • auch wenn die derzeit in Karten kaum verwendet wird ist die Erfassung zusätzlicher Informationen, insbesondere width=*, smoothness=* und sac_scale=* für eine bessere Differenzierung in der Zukunft ebenfalls ratsam.

Fahrwege, Fußwege und Radwege sind nicht die einzigen Bereiche, wo im Standardstil gestrichelte Linien verwendet werden und auch anderswo führt dies teils zu Problemen. Dies betrifft insbesondere administrative Grenzen und teilweise trockene Wasserläufe. Es gibt im alternative-colors-Stil auch dafür schon einige Verbesserungen. Vielleicht ein Thema für einen zukünftigen Beitrag.

8 Kommentare

  1. Weitere Verbesserungsmöglichkeiten für die ZL 13+14 wären:
    – keine Icons auf den Flächen darstellen (insbesondere im Wald sehr störend)
    – keine Hinterlegung von Wasserläufen (weil zu dominant)

    Bei den Feldwegen funktioniert dann die Strichelung durchaus.
    grade1 = durchgezogen
    grade2-5 = einheitlich gestrichelt

  2. Ja, deine Beispiele belegen, dass die Strichelung mit langen Strichen, also so wie sie derzeit von osm-carto verwendet wird, nicht funktioniert. Was ich nicht erwähnt hatte, ist die Tatsache, dass die Strichelung in den unteren Zoomstufen feiner auszuführen ist. Hierdurch ist eine Strichelung m.E. durchaus zu erkennen, und was mir wichtig erscheint, es wird ein Bruch in der Logik “einmal Strichelung immer Strichelung” vermieden. Wie ich das meine sieht man auf diesem Screenshot (nicht mit Mapnik erstellt): https://i.imgur.com/VNgqMen.png

    • Eine kürzere Strichelung verbessert das Ergebnis eher nicht, sie verstärkt das Rauschen und führt zu einer größeren Anzahl von Stellen, an denen es visuelle Uneindeutigkeiten geben kann. Auch die von mir gewählte kurze Strichelung für footway unpaved bei z15+ führt gelegentlich zu solchen Problemen. Die Linien-Signatur für paved mit den längeren Strichen ist hier oft deutlich besser lesbar als für unpaved.

      Auch halte ich bei einer zoombaren Karte den Wechsel von durchgezogen zu gestrichelt beim hereinzoomen für vertretbar, den Wechsel von einer Strichelung zu einer anderen jedoch für sehr ungünstig.

  3. Bezüglich der Farbgestaltung der Wege habe ich deine Idee der Farbgestaltung “Purpur für Radwege” inzwischen für meine Zwecke übernommen. Eine Verwechselung der vormals blauen Radwege mit Wasserläufen sollte somit nicht mehr auftreten.

    Das Rot der Fußwege ist meines Erachtens ein weiteres Problem. Rot und Grün sind Komplementärfarben und erzeugen einen viel zu starken Kontrast. Um diesen abzumildern, bedient sich Osm-Carto dem Hilfskonstrukt der (viel zu breiten) Hinterlegung mit einer hellen Linie. Aber selbst dieses Konstrukt führt auf den vielen grünen Flächen zu Wahrnehmungsproblemen. Fazit: Man sollte auf rote Linien komplett verzichten und für die Fusswege eine andere Farbe (z.B. dunkelgrau oder dunkelgrün) einführen. Auf die signifikante Hinterlegung wird man dann (weitgehend) verzichten können.

    • Die gewählten Farben passen halt zu den auch für Straßen verwendeten Farben. Im Bereich grau-grün gibt es bereits eine Menge andere Linien-Formen im Standardstil, die zu Verwechselungen führen könnten – Grenzen, Hochspannungsleitungen, cliff/embankment, barrier.

      Der helle Rahmen bei z15+ hat vor allem auch den Effekt, dass der Kontrast nicht mehr so stark vom Hintergrund abhängt. Das wäre bei einem Grün- oder Grauton vermutlich mindestens so notwendig wie bei einem kräftigen Rot. Man denke insbesondere an Gebiete mit fein strukturierter Bebauung (wie hier). Da wäre eine graue Linie zwischen den ganzen Gebäude-Umrissen ohne Umrahmung weitgehend unleserlich.

  4. Hallo Imagico,

    danke für die Analyse. Die strichlierten Fuß- und Radwege stoßen mir auch schon länger sauer auf.

    Meine Frage: Wieso wechselst du ab Z15 wieder auf die Strichlierung? Wäre es nicht besser bei der durchgezogenen Darstellung zu bleiben und qualitative Unterschiede – so sie überhaupt dargestellt werden sollten – durch die Strichstärke (wie bei den Tracks) zu differenzieren?

    Grüße,
    Jonathan

    • Die Linienbreite ist eine schwer eindeutig zu erkennende Differenzierung. Insbesondere bei diskreten Klassen ohne eine natürliche Hierarchie (hier paved/unpaved/unbekannt) wäre das recht wenig intuitiv.

      Wenn man die Darstellung von ‘surface’ nicht braucht, kann man natürlich mit durchgezogenen Linien arbeiten. Oder man könnte überlegen, den Wechsel auf höhere Zoomstufen zu verschieben. Das ist aber eine recht subjektive Entscheidung, die meist stark davon geleitet sein dürfte, ob man den Schwerpunkt eher im urbanen oder im ländlichen Bereich sieht.

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