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Mehr zur Verwendung von Flächenmustern in Karten

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Flächenmuster und deren Verwendung in der Kartographie sind ein Thema, über das ich bereits in der Vergangenheit geschrieben habe. Wenn wir konkret von einfachen einheitlichen Mustern sprechen, ergeben sich in der Anwendung insbesondere folgende Vorteile:

  • Mit Flächenmustern lassen sich Flächen ohne unterschiedliche Farben differenzieren – und die Möglichkeiten zur Differenzierung sind auch wesentlich umfassender, denn die Zahl möglicher Muster-Varianten ist viel größer als die Zahl möglicher unterscheidbarer Farben.
  • Ein intuitives Verständnis der Bedeutung eines Musters ist deutlich einfacher zu erreichen als bei einer Farbe alleine. Bei Farben gibt es ein paar allgemeine Konventionen (wie Blau für Wasser und Grün für Vegetation) und manchmal die Regel der Ähnlichkeit (dass ähnliche Farben eine ähnliche Bedeutung haben) aber darüber hinaus ist die Bedeutung von Farben in einer Karte üblicherweise etwas, das man nachschauen und lernen muss oder anhand von Beispielen lernen kann, während ein gut gewähltes Muster oft zumindest eine gewisse Möglichkeit schafft, die Bedeutung aus den gewählten Formen und Strukturen abzuleiten.

Ich möchte hier anhand von ein paar Beispielen erläutern, wie sich das für die Gestaltung besserer Karten nutzen lässt.

Industrielle Landnutzung

Das erste Beispiel ist etwas, das ich bereits vor einiger Zeit im alternative-colors-Stil implementiert, jedoch bis jetzt noch nicht konkret diskutiert habe. Es betrifft industrielle Landnutzung im engeren Sinne – damit meine ich nicht landuse=industrial, was Land beschreibt, auf dem industrielle Infrastruktur gebaut worden ist, sondern Gebiete wo das Land selbst industriell genutzt wird, konkret landuse=quarry (Bergbau, Extraktion von Material aus der Erde), landuse=landfill (die Lagerung von Material, insbesondere Abfall), landuse=construction (Baustellen) und landuse=brownfield (als Vorläufer einer Baustelle).

In OSM-Carto werden diese derzeit in drei unterschiedlichen Farben dargestellt, brownfield und construction sehen gleich aus. Zumindest zwei dieser Farben ähneln stark anderen Flächenfarben, welche eine deutlich andere Bedeutung haben. Dieses Problem ist ein Symptom der Tatsache, dass der Standardstil das Ende der Fahnenstange erreicht hat was die Nutzung von Farben angeht. Es ist mittlerweile fast unmöglich geworden, neue Farben im Stil einzuführen, ohne dass sie mit anderen Farben kollidieren. Die meisten jüngeren Entscheidungen in Bezug auf Farben dort leiden an diesem Problem.

Was ich bei der industrielle Landnutzung gemacht habe, um solche Probleme zu vermeiden ist, dass ich mich auf eine Farbe für alle vier Nutzungsarten beschränkt habe – denn diese haben ja wie erläutert erhebliche Gemeinsamkeiten – und die weitere Differenzierung bei höheren Zoomstufen über Flächenmuster vornehme. Hier kann man sehen wie das aussieht.

Flächenmuster für die industrielle Landnutzung

Während die meisten dieser Muster (mit Ausnahme von quarry vielleicht) vermutlich für die meisten Kartennutzer in ihrer Bedeutung nicht intuitiv völlig klar zu verstehen sind – dies ist ein bisschen der Preis dafür, ein relativ fein strukturiertes Muster, welches sich für kleine Flächen eignet, zu verwenden – besteht dafür aber zumindest eine deutlich bessere Chance als bei der Verwendung von einförmigen Farben.

Landwirtschaftliche Details

Das andere Beispiel ist die Darstellung zusätzlicher Details bei der landwirtschaftlichen Landnutzung, konkret bei landuse=farmland und landuse=orchard.

Zunächst ein bisschen Information zum Tagging – die Differenzierung zwischen verschiedenen Nutzpflanzen bei der landwirtschaftlichen Landnutzung ist in OpenStreetMap recht kompliziert und auch ein bisschen willkürlich. Das beginnt mit der primären Differenzierung in verschiedene Landnutzungen. Konkret haben wir:

  • landuse=farmland – welches entweder als generisches Tag für alle Arten der landwirtschaftlichen Landnutzung dient oder (wie meist praktiziert) nur für all das, was von den anderen nachfolgenden Landnutzungen nicht abgedeckt wird.
  • landuse=meadow – Weideland und für Heu gemähte Wiesen.
  • landuse=orchard – was für Bäume und Sträucher für die Produktion von Früchten oder Nüssen (oder anderen Produkten außer Holz) vorgesehen ist.
  • landuse=vineyard – was im Grunde ein separates Tag für einen Typ von landuse=orchard darstellt.

Eine weitere Differenzierung darüber hinaus geschieht mittels crop=* (für farmland) oder trees=* (für orchard) oder produce=*.

Die Unterscheidung zwischen landuse=farmland and landuse=meadow wird nicht ganz konsistent gehandhabt – es gibt zum Beispiel 19k Verwendungen der Kombination landuse=farmland + crop=grass. Und was genau durch landuse=orchard abgedeckt wird ist auch recht merkwürdig – Tee-Plantagen werden zum Beispiel meist als landuse=farmland + crop=tea, ähnlich wie Kaffee – obwohl es in geringerem Umfang bei beiden auch die Verwendung von landuse=orchard gibt.

Die vier aufgeführten Landnutzungen werden im Standardstil unterschiedlich dargestellt – ursprünglich alle mit verschiedenen Farben, ich habe vor kurzem über die Geschichte der Farmland-Farbe geschrieben. Vor ein paar Jahren habe ich die Farben von orchard und vineyard vereinheitlicht und beide nur noch über das Flächenmuster differenziert, was der großen Ähnlichkeit zwischen beiden Rechnung trägt.

All dies demonstriert recht deutlich eine Britisch-Mitteleuropäische Perspektive auf Grundlage der in diesen Regionen dominierenden landwirtschaftlichen Nutzungsformen. In Bezug auf die Struktur des Taggings ist dies verständlich wenn man die geschichtliche Entwicklung von OpenStreetMap im Kopf hat. Wenn sich eine Tagging-Idee erst einmal verbreitet etabliert hat, lässt sich diese nur noch schwer wieder modifizieren. Aber dies ist nicht der Kern des Problems. OpenStreetMap hat ein freies Tagging-System so dass Mapper anderswo auf der Welt ihre eigenen Tags verwenden oder Zusatztags definieren können. Da komplett neue Tags den Nachteil haben, dass sie sich nur schwer bei Datennutzern durchsetzen lassen, sind Zusatztags der verbreitetere Ansatz. Wir haben deshalb eine Menge Zusatztags für landuse=farmland und für landuse=orchard auch für Planzen, die in Großbritannien und Mitteleuropa nicht wachsen.

Und hier ist der Punkt, wo die Probleme liegen – Kartenstil-Entwickler sagen zurecht, dass man nicht alle Nutzpflanzen-Arten in einer Karte für allgemeine Anwendungen differenzieren kann. Deshalb begrenzen sie die Differenzierung auf die primären Landnutzungs-Klassen, die aber wie erläutert für eine sehr starke geographische Voreingenommenheit stehen. Was das Problem verschärft ist, dass sich Stil-Entwickler in den meisten Fällen des Problems gar nicht bewusst sind, sie halten die Klassen für eine natürliche und global gültige Einteilung obwohl ja eigentlich die recht willkürliche Grenze zwischen landuse=farmland und landuse=orchard und die spezielle Abtrennung von landuse=vineyard das Gegenteil deutlich machen. Bei Diskussionen zur Darstellung von farmland oder orchard kann man fast generell beobachten, wie diese sich in den Köpfen der Entwickler als Getreide-Felder oder Apfelbäume und Beeren-Sträucher manifestieren und kaum jemals eine Reflexion darüber stattfindet, wie voreingenommen diese Bild ist.

Ein Kartenstil, welcher als Rückmeldung an Mapper dient, hat hier noch ein besonderes Problem, denn wenn man die primären Landnutzungs-Klassen nicht differenziert, unterschiedliche Nutzplanzen oder Gruppen davon aber schon (wie zum Beispiel die Vereinheitlichung von orchard und vineyard aber die Diffenzierung von zwei Klassen von orchard aufgrund anderer Kriterien) ist dies für den Mapper potentiell irritierend. Aber wenn man eine gewisse Differenzierung vornehmen möchte ist es essentiell dabei nicht mit einem engen Europäischen Blickwinkel an die Sache heranzugehen, sondern mit einer globaleren Sichtweise.

Das ist der Ansatz, den ich versucht habe bei der Darstellung von farmland und orchard zu verwenden – ich habe jeweils drei Untertypen mittels Flächenmuster differenziert zusätzlich zur generischen Darstellung.

Die neuen Typen von farmland und orchard

Die Typen sind ausgewählt danach wie stark der jeweilige Anbau-Typ sich für den Beobachter differenziert und wie weit verbreitet und konsistent die Verwendung des jeweiligen Tags in OpenStreetMap ist. Ich habe absichtlich keinen Getreideanbau außer Reis mit einbezogen, denn Getreide wird in den meisten Teilen der Welt mit Fruchtwechsel angebaut und deshalb ist hier die Angabe einer einzelnen Sorte meist ungenau. Die dargestellten Pflanzentypen werden üblicherweise nicht im Fruchtwechsel angebaut.

Hier ein paar Beispiele mit realen Daten für die verschiedenen orchard-Typen:

Olivenbaum-Anbau bei z16 – ein Klick zeigt einen größeren Ausschnitt

Ölpalmen-Plantage bei z15 – ein Klick zeigt einen größeren Ausschnitt

Bananen-Plantage bei z16 – ein Klick zeigt einen größeren Ausschnitt

Und hier die farmland-Typen:

Reisfelder bei z15 – ein Klick zeigt einen größeren Ausschnitt

Hopfen-Anbau bei z15 – ein Klick zeigt einen größeren Ausschnitt

Tee-Plantagen bei z16 – ein Klick zeigt einen größeren Ausschnitt

Die Symbolik orientiert sich am Erscheinungsbild der jeweiligen Planzen im Anbau und explizit nicht wie gelegentlich als Ansatz praktiziert am geernteten Produkt. Dies entspricht dem bereits anderweitig im Standardstil gewählten Ansatz. Die Gründe dafür habe ich bereits früher mal erläutert.

Das ist jetzt zunächst einmal natürlich eine Darstellung von Einzel-Sorten und wie schon angedeutet ist es nicht praktikabel, alle weltweit auftretenden landwirtschaftlichen Nutzpflanzen mit eigenen Symbolen darzustellen. Es wird also die Notwendigkeit geben, hier zu gruppieren und zu klassifizieren – wenngleich einige der gezeigten Sorten aufgrund ihrer Bedeutung und ihrer Besonderheit durchaus eine dauerhaft eigene Klasse bleiben könnten. Aber so eine Klassifizierung darf eben nicht ausschließlich auf der historischen Dominanz Europäischer Blickwinkel in OpenStreetMap basieren wie es derzeit im Standardstil der Fall ist. So etwas zu entwickeln ist nicht nur für OpenStreetMap weitgehend Neuland sondern auch in der Kartographie ganz allgemein.

Mir scheint auch dass dieses Beispiel schön illustriert, dass es wenn man Tagging-Konzepte entwickelt eine recht schlechte Idee ist, diese auf einem scheinbar logischen groben Klassifikation-System aufzubauen – wie die Unterscheidung zwischen farmland und orchard – welches bei genauerem Hinschauen jedoch keine klare, überprüfbare und universell anwendbare Grundlage hat. In solchen Fällen ist es besser, Tags mit kleinerem Anwendungs-Bereich aber besser definierter Bedeutung festzulegen – selbst wenn in der eigenen Kultur breitere Begriffe existieren, die man im normalen Sprachgebrauch verwendet.

Wie üblich findet man die Änderungen im alternative-colors-Stil.

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