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Satellitenbild-Neuigkeiten

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Der Titel hier sollte dieses Mal etwas mit Vorsicht gelesen werden – ich habe die Diskussion neuer Entwicklungen in diesem Bereich in letzter Zeit etwas vernachlässigt und somit sind einige der Neuigkeiten, die ich hier vorstelle, mittlerweile schon über ein Jahr alt.

Es gab in der letzten Zeit Starts einiger interessanter Satelliten und es stehen einige Starts an im Bereich offener Daten (insbesondere natürlich Landsat 9) wie auch im Bereich kommerzieller Erdbeobachtung. Im letzteren ist insbesondere der Start der ersten zwei von vier Satelliten der Pleiades Neo zu erwähnen (20. Mai und 16. August), welche höhere Auflösung und erweiterte Aufnahme-Kapazitäten im Vergleich zu den bisherigen zwei Pleiades-Satelliten bieten. Maxar hat auch seine Pläne für eine neue Satelliten-Konstellation leichterer hochauflösender Satelliten vorgestellt, wodurch die Kosten-Vorteile der Serien-Produktion wie auch die größere Flexibilität im Vergleich zu großen Einzel-Satelliten, wie man sie bis jetzt verwendet hat, genutzt werden sollen. Aber es gibt dort noch keinen Starttermin. Allerdings hat der Start von Pleiades Neo den Druck auf Maxar sicherlich erhöht. Planet Labs hat auch begonnen, eine neue, verbesserte Version ihrer Mikrosatelliten zu starten mit zusätzlichen Spektralbändern. Wie üblich sind jedoch nur recht wenig öffentliche Informationen darüber verfügbar.

Hinsichtlich neu verfügbarer offener Satellitendaten möchte ich vor allem die basilianischen CBERS-4A (gestartet am 20. Dezember 2019) und Amazonia-1 (gestartet am 28. Februar 2021) nennen. Es scheint, dass die vom National Institute for Space Research (INPE) veröffentlichten Daten dieser Satelliten unter CC-BY-SA verwendbar sind. Das ist restriktiver als bei anderen Angeboten offener Satellitendaten, aber dennoch ist dies der bis jetzt wichtigste Beitrag im Bereich offener Satellitendaten von einem Betreiber außerhalb von Europa, Nordamerika und Japan. Nicht ganz klar ist, ob die vom INPE veröffentlichten Daten alle aufgenommenen Bilder beinhalten, oder ob nur die Daten veröffentlicht werden, die man als offene Daten zur Verfügung stellen möchte, und es daneben noch unveröffentlichte Daten gibt. Wenn man bedenkt, dass die veröffentlichten Bilder weitgehend auf Südamerika beschränkt sind, ist das kein komplett unrealistisches Szenario.

Amazonia-1 Bildbeispiel von Süd-Peru und Bolivien - gesamte Szene

Amazonia-1 Bildbeispiel von Süd-Peru und Bolivien – gesamte Szene

Der Amazonia-1-Satellit mit seinem 850km-Sichtfeld und einer Auflösung von 60m füllt eine signifikante Lücke in den Systemen aus Europa, Nordamerika und Japan zwischen den hochauflösenden Sensoren (Auflösung besser als etwa 50m und Sichtfeldern weniger als 300km) und den niedrig/mittel auflösenden Sensoren mit Aufnahme-Breiten von mehr als 1000km und Auflösungen von 250m oder schlechter.

Amazonia-1 Bildbeispiel - vergrößerter Ausschnitt

Amazonia-1 Bildbeispiel – vergrößerter Ausschnitt

Der eigentliche Amazonia-1-Bildsensor ist gemessen an heutigen Standards nicht besonders leistungsfähig – der Dynamikumfang scheint in etwa vergleichbar mit Landsat 7 zu sein – mit der selben Tendenz zur Sättigung bei hellen Oberflächen. Er scheint eine 10-bit AD-Wandlung zu verwenden.

Amazonia-1 Bildbeispiel - Ausschnitt in voller Auflösung

Amazonia-1 Bildbeispiel – Ausschnitt in voller Auflösung

Es scheint bis jetzt auch noch keinerlei radiometrische Kalibrierung zu geben – lediglich die rohen Sensorwerte. Dennoch ist dies eine ziemlich beeindruckende neue Quelle für Bilder, die jetzt verfügbar ist, mit der Kombination eines recht breiten Sichtfeldes mit einer mäßig hohen Auflösung und es wäre sehr schön, wenn diese Bilder auch von Gegenden außerhalb der Teile von Südamerika verfügbar wären, für die bis jetzt Bilder erhältlich sind.

Auf die selbe Lücke in verfügbaren Bilderfassungs-Systemen zielt auch ein anderes experimentelles System – SeaHawk – welches bereits 2018 gestartet wurde und welches vor kurzem breiter öffentlich vorgestellt wurde. SeaHawk ist ein weniger als 5kg schwerer Mikrosatellit mit einem Sichtfeld von 216km Breite und einer Auflösung von 120m. Das ist weniger ambitioniert als Amazonia-1 und bietet weniger nominelle Abdeckung als ein einzelner Sentinel-2-Satellit bei viel geringerer Auflösung, bei dem Formfaktor ist dies jedoch dennoch recht beeindruckend, insbesondere auch in der Bildqualität.

SeaHawk Bildbeispiel von Ostgrönland

SeaHawk Bildbeispiel von Ostgrönland

SeaHawk Bildbeispiel von Neukaledonien

SeaHawk Bildbeispiel von Neukaledonien

Wenn man sich die Bilder näher anschaut, erkennt man aber auch einige Schwächen, insbesondere:

  • ein erhebliches Niveau von Streifen-Artefakten und ungleichmäßigen Werten der Sensoren. Dies könnte man vermutlich etwas durch eine genauere Kalibrierung auf Einzel-Pixel-Ebene verbessern, dennoch ist dies auf einem Niveau, was erheblich schlechter ist, als bei größeren aktuellen Sensoren.
  • Eine erhebliche Abnahme der Auflösung zum Bildrand hin, welche recht klar aus Defiziten in der Optik herrührt und nicht nur aus der Sichtfeld-Geometrie (also aufgrund des größeren Abstands zur Erdoberfläche an den Sichtfeld-Rändern, wie man es von Weitwinkel-Systemen wie MODIS und VIIRS her kennt).
  • eine erhebliche Fehlpassung zwischen den Spektralbändern, was zu Farbrändern an Kanten mit hohem Kontrast führt.
SeaHawk Bildbeispiel - vergrößerter Ausschnitt

SeaHawk Bildbeispiel – vergrößerter Ausschnitt

Das größte Problem liegt jedoch in der sehr schlechten Positionsgenauigkeit der Bilder. Die Level-1-Rohdaten, die man herunterladen kann, sind ohne Positions-Information und bis jetzt scheint das Verfahren zu sein, die Bilder manuell auf Grundlage der Küstenlinie zu geokodieren. Mikrosatelliten wie dieser verfügen ganz grundsätzlich nur über sehr begrenzte Fähigkeiten, ihre eigene Orientierung im Raum zu bestimmen, und wissen deshalb nur recht ungenau, wohin sie genau schauen. Dieser Mangel an genauen Daten über die Orientierung schränkt die Möglichkeiten zur genauen Geokodierung der Daten stark ein. Eine detaillierte Diskussion des Problems stellen die Betreiber zur Verfügung.

In eine ähnliche Richtung der Miniaturisierung geht das Projekt PROBA-V plus one – gedacht als Nachfolger für PROBA-V – welcher leider, obwohl von Steuergeldern bezahlt, nie vollständig offene Daten produziert hat. Dies wird also auch ein guter Test dafür, ob sich die Organisations-Kultur in der ESA vor dem Hintergrund des Copernicus-Programms (wo die Offenheit der Daten von oben von der EU-Kommission vorgeschrieben worden war) ändert, oder ob die Leute in der ESA und drumherum weiterhin lieber den Großteil der Daten unter Verschluss halten möchten – exklusiv für sich selbst und diejenigen, die sie für würdig erachten, damit zu arbeiten.

Bezugnehmend auf meine früheren Ausführungen zur Nutzung der Sentinel-3-Bilder und die erheblichen Probleme in den Geo-Lokalisierungs-Informationen der SLSTR-Daten kann ich mitteilen, dass die ESA Ende 2019 das Problem wohl endlich erkannt und behoben hat. Neuere Daten (produziert nach Anfang 2020, erkennbar durch die Version ‘004’ im Dateinamen) weist diesen Fehler nicht mehr auf. Ältere Sentinel-3B-Daten sind mittlerweile auch reprozessiert, Selntinel-3A-Daten jedoch noch nicht.

Ich werde das Thema vermutlich noch mehr im Detail separat aufgreifen.

Von allen optischen Erdbeobachtungs-Systemen aus dem EU-Copernicus-Programm hab ich bis jetzt lediglich Sentinel-5P noch nicht angeschaut. Es ist für meine Arbeit von relativ geringem Nutzen, jedoch hab ich jetzt der Vollständigkeit halber auch darauf einen Blick geworfen. Sentinel-5P verfügt über einen hyperspektral-Sensor mit geringer räumlicher Auflösung, welcher insbesondere zu Analyse der Atmosphere dient. Er konzentriert sich primär auf den UV- und Blaubereich. Das wäre ein sehr schönes Instrument, um die Wirkungen verschiedener Spektralband-Konzepte von multispektralen Sensoren für Visualisierungen der Erde zu untersuchen, jedoch weist die spektrale Abdeckung des Satelliten in der Mitte des sichtbaren Bereiches, wo sich üblicherweise Grüne Spektralbänder befinden, eine große Lücke auf.

Sentinel-5P L1B Falschfarben-Visualisierung der Daten vom 10. September 2021 bei etwa 305nm, 390nm und 475nm

Sentinel-5P L1B Falschfarben-Visualisierung der Daten vom 10. September 2021 bei etwa 305nm, 390nm und 475nm

Das obige Bild zeigt die Visualisierung der Daten eines Tages aus dem UV-Bereich und im blauen Spektrum in einer Falschfarben-Darstellung. Die Streifen entlang der Flugrichtung des Satelliten rühren von der unterschiedlichen Streuung des Lichtes abhängig von der Lichteinfalls- und Blickrichtung her. Ein Großteil des Signals im Ultraviolett-Bereich stammt aus der Streuung in der Atmosphere. Unterschiedliche Gase und Aerosole zeigen unterschiedliche Streuung und Absorption je nach Wellenlänge – erkennbar an diesem Tag sehr deutlich im mittleren Westen der USA, wo Rauch von Bränden in kräftigem Rot-Braun erscheint. Der Sentinel-5P-Sensor bietet für jeden Pixel der aufgenommenen Bilder ein detailliertes Spektrum. Insgesamt wurden für die Produktion dieser Illustration mehr als 150GB an L1B-Daten verarbeitet (und das sind nur drei der acht Spektralbänder des Sensors).

Sentinel-5P ist übrigens der einzige Satellit aus dem Copernicus-Programm, welcher die gesamte Erdoberfläche innerhalb eines Tages aufnimmt.

Zum Schluss noch eine wirklich traurige Nachricht – die NASA hat letztes Jahr mitgeteilt, dass der Terra-Satellit das Ende seiner Lebensdauer erreicht und dass er – aufgrund von Treibstoff-Mangel (ich hab das Thema in der Vergangenheit detaillierter für EO-1 diskutiert) – zunehmend in seiner Umlaufbahn zu wandern beginnen wird. Er hat mittlerweile sein nominelles Aufnahme-Fenster verlassen und wird vermutlich bis September 2022 einen 15-Minuten-Abstand von der nominellen Aufnahme-Position erreicht haben und spätestens 2025 wird kein Betrieb mehr möglich sein.

Ich werde vermutlich noch etwas mehr über den Terra-Satellit und dessen Bedeutung für die historische Entwicklung der Erdbeobachtung aus dem Weltraum sowie seine heutige Bedeutung schreiben. Insbesondere möchte ich dabei auch das MISR-Instrument diskutieren. Die meisten Leute kennen Terra insbesondere für die Sensoren MODIS und ASTER und MISR ist, auch weil es gewissermaßen im Schatten von MODIS steht, eines der am meisten unterschätzten und zu wenig genutzten Erdbeobachtungs-Systeme, die derzeit verfügbar sind.

Ich habe auch mein Schaubild der multispektralen Erdbeobachtungs-Satelliten mit vielen der hier erwähnten Systeme wie auch einigen weiteren ergänzt, als auch einige Korrekturen und Aktualisierungen bestehender Daten eingearbeitet.

Sensoren multispektraler Erdbeobachtungs-Satelliten - September 2021

Sensoren multispektraler Erdbeobachtungs-Satelliten – September 2021

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