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SotM 2019 Heidelberg – Bemerkungen zum Programm

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In etwas mehr als einem Monat findet in Heidelberg die State-of-the-Map-Konferenz 2019 statt und da das Programm mittlerweile verfügbar ist – einschließlich Zusammenfassungen der Vorträge – hier eine kurze Analyse davon was uns da erwartet.

Ich habe die Liste der Vorträge und Workshops durchgeschaut und eine grobe Kategorisierung vorgenommen. Diese hat nicht den Anspruch, absolut präzise zu sein – offensichtlich gibt es Grenzfälle. Die Lightning-talks habe ich dabei nicht mit einbezogen.

  • Es gibt etwa 25 Programmpunkte von kommerziellen Organisationen und Unternehmen verschiedener Art. Etwa die Hälfte davon sind von großen internationalen Konzernen. Von den meisten Unternehmen gibt es jeweils nur einen einzigen Vortrag.
  • Es gibt etwa 24 Programmpunkte von nicht kommerziellen Organisationen verschiedener Art – von Universitäten und öffentlichen Einrichtungen bis zu gemeinnützigen Organisationen und Community-Projekten. Etwa fünf davon sind von der OSMF (welche die Konferenz veranstaltet). Außer der OSMF scheint keine einzelne Organisation hinter mehr als zwei Vorträgen zu stehen.
  • Es gibt etwa 22 Programmpunkte, die ich als Beiträge individueller Besucher und von Projekten ohne formelle Organisation kategorisieren würde.

Wie üblich lassen sich ohne Kenntnis der Bandbreite der Einreichungen, aus denen das Programm zusammengestellt wurde, keine belastbaren Aussagen zur Ausgewogenheit der Programm-Auswahl treffen, aber es scheint klar, dass man bedacht war, hier auf verschiedenen Ebenen eine Balance zu erreichen. Der deutlichste Aspekt von Unausgewogenheit ist sicherlich die Präferenz für Englischsprachige Beiträge. Hier wäre ich sehr dafür, diese Anforderung abzuschwächen. Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Mehr Überlegungen zum grundsätzlichen Konzept der SotM finden sich in meinem Beitrag vom letzten Jahr.

Vortragsempfehlungen

Auf Grundlage einer schnellen Durchsicht des Programms hier ein paar Empfehlungen dazu, was vielversprechende Programmpunkte sein könnten. Diese Liste ist nicht als Abwertung der übrigen Vorträge als weniger wertvoll oder interessant gedacht – mehr als Liste von besonders bemerkenswerten Programmpunkten, welche meiner Meinung nach heraus stechen und vielleicht auch als Empfehlung, was man sich anschauen könnte, wenn man nur eine Hand voll Vorträge besuchen kann und keine speziellen thematischen Interessen hat.

  • Introduction to OSM: How it’s made and how it’s used – obwohl dies für erfahrene Besucher vermutlich nicht viele neue Einsichten eröffnet, verspricht das Konzept eine unterhaltsame Veranstaltung und dürfte lohnenswert zu besuchen sein.
  • Communication and Knowledge Transfer in OSM – zwar ist zu befürchten, dass in einem Zeitrahmen von 20 Minuten nicht viel mehr als ein grober Überblick möglich ist. Aber das Themas ist wichtig und von zentraler Bedeutung für den zukünftigen Erfolg des Projektes. Hanna wird vermutlich eine solide Zusammenfassung des Status quo in diesem Bereich liefern sowie eine wertvolle Perspektive darauf, was die Defizite und Probleme dabei sind und woran gearbeitet werden muss.
  • Mapathon, mapathon, mapathon! – Der Titel ließe sich sicher verbessern, das Hauptthema hier ist ein kritischer Blick auf die etablierten Praktiken bei einzelnen Projekten der gemeinschaftlichen Datenerfassung (auch bekannt als mapathons). Séverin and Nicolas haben eine Menge Erfahrung in der Kultur-übergreifenden Zusammenarbeit bei der Datenerfassung in OpenStreetMap und der Vortrag verspricht, diese Kultur-übergreifenden Zusammenarbeit in die Konferenz zu bringen, indem Besucher aus verschiedenen Ländern ihre Gedanken und Erfahrungen zu dem Thema vortragen. Der Vortrag ist Startpunkt für eine Reihe von Programmpunkten, die daran anknüpfen – zum einen ein zweiter Vortrag direkt im Anschluss und zum anderen eine zweisprachige Diskussions-Veranstaltung später.
  • Is the OSM data model creaking? – Kritische Reflektion über die grundlegenden Aspekte des Datenmodells sind sowohl in OpenStreetMap als auch in der GIS-Welt sehr selten. Dieser Vortrag verspricht etwas in dieser Richtung – ein in meinen Augen sehr wichtiges Thema. Da der Schwerpunkt dabei auf einem sehr speziellen Anwendungsfall liegt (Radfahr-Karten und -Routing), besteht natürlich die Möglichkeit, dass es am Ende um recht einfache Tricks geht, welche auf den Anwendungsfall begrenzt sind. Aber vielleicht ist die Herangehensweise auch grundsätzlicher, was besonders interessant wäre.
  • New processes to agree on tagging suggestions and their interaction with the editing software available on openstreetmap.org – Dies könnte man als eine thematisch spezifischere Anknüpfung an den oben erwähnten Vortrag zu Kommunikation und Wissenstransfer auffassen. Roland bietet immer eine nüchtern analytische Perspektive auf die Dinge. Hier hat er außerdem einen innovativen Ansatz gewählt, um dediziert Beiträge von Leuten einzubeziehen, welche nicht bei der Konferenz anwesend sind. Die Veranstaltung ist damit gewissermaßen eher eine Anknüpfung an einen Prozess im Vorfeld, um Ideen zum Thema auf digitalen Kanälen zu sammeln. Unabhängig vom eigentlichen Thema – welches für sich genommen auch von großem Interesse ist – ist dies ein interessanter und innovativer Ansatz, eine Diskussion zu führen und Ideen zu entwickeln und auszutauschen und dabei die digitale Kommunikation mit einer vor-Ort-Veranstaltung zu verknüpfen.
  • OSM Vector Tiles in custom coordinate systems – Koordinaten-System-unabhängige Karten-Produktion ist ein Thema, welches vom kartographischen Mainstream in OpenStreetMap bisher fast komplett ignoriert wird. Wie auch beim Vortrag zum Datenmodell könnte es auch hier natürlich sein, dass das Thema eher oberflächlich behandelt wird. Es gibt jedoch so viele interessante Probleme mit Bezug zu diesem Thema, die den meisten Kartenproduzenten gar nicht bewusst sind, dass dies in jedem Fall von Interesse sein dürfte für alle, die Karten in anderen Projektionen als Mercator entweder produzieren oder produzieren möchten.

Stipendien

Ein anderer sehr interessanter Programmpunkt sind die Scholar Lightning Talks, welcher die erste öffentliche Information über das ansonsten wie verschiedentlich erwähnt extrem intransparente Stipendien-Programm der SotM nach dem Aufruf zur Bewerbung ist.

Die Liste von Vorträgen ist nicht notwendigerweise eine vollständige Liste aller OSMF-Stipendiaten bei der Konferenz – es könnten noch andere geben, die entweder einen regulären Vortrag halten oder gar keinen. Aber es sind 10 Stipendiaten gelistet und das ist durchaus plausibel als komplette oder fast komplette Liste der Stipendiaten.

Woher kommen die Stipendiaten? Wir haben Leute aus:

  • Philippinen (x2)
  • Nepal
  • Lesotho
  • Indien
  • Nicaragua
  • Niederlande
  • Gambia
  • Tansania
  • Kolumbien

Zum Vergleich – letztes Jahr gab es Stipendiaten aus:

  • Deutschland (x2)
  • Portugal
  • UK
  • Russland
  • Mexiko
  • Kolumbien
  • Uganda
  • Kenia
  • Lesotho
  • Mosambik
  • Philippinen
  • Nepal
  • Bangladesch
  • Indonesien
  • China

Und 2017:

  • Bangladesch
  • Albanien (x2)
  • Litauen
  • Zypern/USA
  • Indien
  • Argentinien
  • Italien (x2)
  • Senegal
  • Niger
  • Nicaragua/Costa Rica
  • Sri Lanka
  • Sierra Leone
  • Kolumbien

Fällt etwas auf? Nun – zunächst einmal ist es recht offensichtlich, dass die SotM 2020 vermutlich auf den Philippinen stattfinden wird, denn die beiden letzten SotMs fanden statt in Ländern, woher im Jahr zuvor zwei Stipendiaten kamen. Für weitere Muster hier eine Karte, welche die Verteilung der Stipendiaten der Jahre 2017, 2018 und 2019 zeigt (in Blau die Herkunft der Stipendiaten, Magenta die Konferenz-Orte).

Woher OSMF-SotM-Stipendiaten 2017-2019 kommen

Wie zuvor erwähnt gibt es eine recht deutliche geographische Unausgewogenheit in der Herkunft der SotM-Stipendiaten. Diese kann man recht anschaulich ausdrücken in Form der statistischen Wahrscheinlichkeit dafür, dass jemand ein Stipendium bekommt. Dies ist wohlbemerkt eine Unausgewogenheit des Prozesses als ganzes – von der Anwerbung und Motivation von Bewerbern bis hin zur eigentlichen Auswahl. Mangels jeglicher öffentlicher Informationen über die Bewerber und ihre Herkunft (diese Daten werden von der OSMF trotz Anfragen geheim gehalten) lässt sich nicht sagen, ob diese Unausgewogenheit primär im Auswahl-Prozess liegt oder bereits davor.

  • Wenn man aus Afrika kommt, hat man die besten Chancen, SotM-Stipendiat zu werden, wenn man von südlich der Sahara stammt (10 von 10 von dort) und hat auch deultich bessere Chancen, wenn man aus einer ehemaligen britischen Kolonie stammt (7 von 10).
  • Wenn man aus der neuen Welt stammt, sind die Chancen auf ein Stipendium deutlich besser, wenn man aus dem mittleren Bereich zwischen Mexiko und Kolumbien stammt (6 von 7).
  • Wenn man aus Asien stammt, ist man deutlich im Vorteil, wenn man aus einer ehemaligen britischen oder US-Kolonie kommt (10 von 12).
  • Falls man aus Nordafrika, dem Nahen Osten oder Zentralasien stammt, sind die Chancen sehr schlecht (keiner von insgesamt 41 Stipendianten stammt aus diesen Regionen).
  • Einzelne Länder mit starker Bevorzugung sind: Kolumbien (3x), Philippinen (3x), Albanien (2x), Deutschland (2x), Italien (2x), Nicaragua (2x), Lesotho (2x), Indien (2x), Nepal (2x), Bangladesch (2x).

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