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State of the Map 2019 Heidelberg – Eindrücke und Gedanken

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Es sind jetzt mehr als zwei Wochen nach Ende der SotM in Heidelberg verstrichen und einige wundern sich vielleicht bereits, wo meine Kommentare dazu bleiben. Zum Teil liegt die Verzögerung daran, dass ich mit anderen Dingen beschäftigt war, zum Teil jedoch auch daran, dass einige Informationen bis jetzt noch nicht verfügbar waren (mehr dazu später).

Der Veranstaltungsort

Insgesamt war das Ganze für mich eine recht angenehme Erfahrung. Wir hatten weitgehend Glück mit dem Wetter, so dass die Wahl der Jahreszeit nicht so schlecht war. Ich hatte bereits letztes Jahr erwähnt, dass Heidelberg für mich angenehm nahe gelegen ist mit lediglich zwei Stunden Zugfahrt dahin. Heidelberg ist allerdings auch – von allen Möglichen Orten in Deutschland, die man hätte auswählen können – eher auf der teuren Seite was Übernachtungs-Kosten angeht. Aber da im Eintrittspreis ein Nahverkehrs-Ticket für die gesamte Dauer der Konferenz für den gesamten regionalen Verbund mit dabei war, war man bei der Wahl der Unterkunft im Grunde nicht auf Heidelberg beschränkt und hatte eine recht große Auswahl preisgünstiger Übernachtungs-Möglichkeiten – wenngleich diese für Besucher von Auswärts vermutlich nicht so gut zu finden waren. Die Informationen zu preisgünstigen Unterkünften auf der SotM-Webseite hätten besser sein können – das ist jedoch im Grunde kein neues Problem. Randbemerkung: Ich finde es ein bisschen ärgerlich, dass viele der Informationen von vor der Konferenz hinterher entfernt worden sind – das ist meiner Meinung nach kein guter Stil – solche Informationen zum späteren Nachschauen verfügbar zu halten halte ich für wichtig. Ergänzung: Dies ist inzwischen korrigiert – siehe Kommentar.

Der Veranstaltungsort selbst war für die Konferenz denke ich recht gut geeignet. Die meisten Räume lagen sehr nahe beieinander – die Räume für die BoF-Veranstaltungen waren etwas weiter weg gelegen aber immer noch gut erreichbar. Das größte Problem war denke ich die Akustik im großen Hörsaal, wo – wie man in diversen Videos sehen kann – die Sprecher oft große Probleme hatten, Fragen aus dem Publikum zu verstehen. Das ist verständlicherweise bei so großen Räumen nicht ganz einfach ordentlich hinzubekommen und im Grunde sind solche Räume ja nicht für einen Dialog zwischen Sprecher und Publikum gebaut.

Die Größe der Konferenz

Obwohl es bis jetzt keine Zahlen und Statistiken zu den Teilnehmern der Konferenz gibt, was es vermutlich die bis jetzt größte SotM-Konferenz. Als die urprünglich geplante Zahl von Tickets ausverkauft waren, haben die Organisatoren die Kapazität nachträglich noch über das ursprünglich geplante Limit erhöht, um mehr Leuten den Besuch zu ermöglichen. Dies war am Ende allerdings auch an einige Stellen sichtbar. Am offensichtlichsten war dies auf der Abendveranstaltung am Samstag, wo das Catering etwas unterdimensioniert war – sowohl von der Menge als auch bei der Kapazität der Ausgabe. Dank des guten Wetters und der Möglichkeit, sich draußen aufzuhalten, war der Ort der Veranstaltung selbst durchaus in Ordnung – wenngleich ein bisschen knapp an Sitzgelegenheiten außerhalb des Haupt-Raums zum Essen, welcher etwas stickig und sehr laut war – das ganze fand in einem ehemaligen Industrie-Gebäude statt, welches in der Akustik nicht wirklich auf so viele Menschen zugeschnitten war.

Die Poster-Präsentation am Sonntag Abend war auch etwas suboptimal, denn die Präsentation der Poster und das Catering waren getrennt auf verschiedenen Etagen, so dass es nicht wirklich zu einem ungezwungenes Betrachten der Poster beim Essen und Trinken kam. Das lag am Ende im Wesentlichen am begrenzten Platz – selbst so wie es aufgebaut war, war es beim Essen und Trinken recht eng so dass man dort auf keinen Fall hätte auch noch die Poster in einer angemessenen Art und Weise aufhängen hätte können.

Auf der Konferenz selbst hab ich keine Anzeichen von Überfüllung oder zu vollen Vortragsräumen gesehen. Zur Mittagszeit gab es zwar zumindest am ersten Tag recht lange Schlangen, aber auch genug Platz so dass dies kein großes Problem war.

Insgesamt betrachtet würde ich sagen, dass diese Größe der Konferenz den Rahmen sprengt, den man verlässlich mit den Methoden organisieren kann, mit denen die SotM traditionell durchgeführt wird. Konkret denke ich, dass

  • Organisation auf diesem Maßstab entweder ein gut eingespieltes Team mit mehrjähriger Erfahrung und einer Vor-Ort-Präsenz während eines Großteils der Planungs-Phase benötigt oder die Hilfe eines professionellen Veranstaltungs-Organisators mit Erfahrung in dieser Art von Konferenz.
  • Jede der Örtlichkeiten für die Konferenz mit ausreichender Größe – egal ob für eie Eingentliche Konferenz oder die Abend-Veranstaltung – schwer zu finden ist, so dass für eine Konferenz dieser Größe die bestätigte Verfügbarkeit aller benötigten Örtlichkeiten im Grunde Voraussetzung für eine Bewerbung zur Austragung der Konferenz sein müsste. Dies ist jedoch bei der SotM so weit ich weiß bis jetzt nicht der Fall gewesen (Bewerbungen erwähnen üblicherweise die bekannten Möglichkeiten, jedoch selten mit einer bestätigten Verfügbarkeit für alle benötigten Örtlichkeiten).

All das bedeutet keineswegs, dass die Organisatoren irgendwie schlechte Arbeit geleistet haben – in Gegenteil: Unter Berücksichtigung der Zahl der Besucher ist das Ganze wirklich gut gelaufen.

Die Vorträge

Ich habe noch nicht alle Videos der Vorträge gesehen, die ich auf der Konferenz nicht gesehen habe, hier also nur ein paar ausgewählte Kommetare zu Vorträgen, die ich bei meinem Post vor der Konferenz empfohlen habe so wie einigen anderen, die ich besucht habe.

  • Introduction to OSM: How it’s made and how it’s used (video) – das habe ich nicht live gesehen, auf Grundlage des Videos scheint dies jedoch eine sehr schöne Veranstaltung gewesen zu sein. Und das ist definitiv ein Format, das man auch mal in der Zukunft möglicherweise auch für speziellere Themen verwenden könnte.
  • Communication and Knowledge Transfer in OSM (video) – wie gehofft bot dies einen recht breiten Überblick über die verschiedenen in der OSM-Community gebräuchliche Kommunikations-Methoden und ihre Vor- und Nachteile. Sehr zu empfehlen, wenn man mal über den eigenen Tellerrand schauen mächte, was Kommunikationsmethoden in OSM angeht.
  • Mapathon, mapathon, mapathon! (video) – Dies zeigte einen kritischen Blick auf verbreitete Ansätze bei der Datenerfassung auf die Ferne im Bereich humanitäres Mapping und die historische Entwicklung davon. In meinem Kommentar vor der Konferenz habe ich auch den anschließenden Vortrag (video) erwähnt, welcher sich mehr mit den organisatorischen Aspekten von lokalen Mapper-Gemeinschaften außerhalb von Europa und Nordamerika befasst – diesen kann ich ebenfalls empfehlen.
  • Auch besonders erwähnen möchte ich die spätere Veranstaltung ebenfalls organisiert von Nicolas und Severin mit dem Titel Bilingual Breakout Session – Community building and empowerment in South: French-speaking countries in Africa+Haiti (video). Ich denke, dass dies eine gute Vorlage dafür ist, wie man Kommunikation über Sprachgrenzen hinweg auf einer OSM-Konferenz praktizieren kann. Sprach-Barrieren sind eine der größten Hindernisse für die Kommunikation über Kulturgrenzen hinweg innerhalb des OpenStreetMap-Projektes und dieses Format zeigt denke ich, wie man diese mit begrenztem Aufwand überwinden kann und so eine bessere Kommunikation zwischen Leuten ermöglicht, die unterschiedliche Sprachen sprechen.
  • Is the OSM data model creaking? (video) – dies war eine recht solide Analyse verschiederner prktischer Probleme, die sich beim Umgang mit OSM-Daten für Straßen und Wege für die Navigation für den Datennutzer ergeben. Unglücklicherweise waren jedoch die Überlegungen am Ende, wie man diese Probleme lösen könnte, primär an den Interessen der Datennutzer ausgerichtet und weniger an den Bedürfnissen der Mapper.
  • New processes to agree on tagging suggestions and their interaction with the editing software available on openstreetmap.org – Wenn man die kontroverse Natur des Themas bedenkt hat sich hier eine recht zivilisierte und nützliche Diskussion ergeben. Roland hat bereits eine Zusammenfassung davon präsentiert und ich hoffe sehr, dass Leute konkret an die verschiedenen Ideen anknüpfen werden, die da diskutiert wurden.
  • OSM Vector Tiles in custom coordinate systems (video) – dies war ein recht enttäuschender Vortrag. Das einzige, was wirklich gezeigt wurde, waren Karten in Rektangularprojektion – was, wenn man von Mercator kommt, im Grunde inverse Evolution bedeutet. Es gab keine substantielle Diskussion der eigentlichen Probleme und Herausforderungen der Produktion digitaler Karten in anderen Projektionen als Mercator.
  • Board + Working Groups meeting (video) – dies war wirklich interessant, was die Dynamik innerhalb der OSMF angeht, wenngleich das Ganze natürlich nicht wirklich sehr produktiv war, was jedoch auch niemand ernsthaft erwartet hatte. Das Format hat recht gut funktioniert, es gab eine ganze Menge Kommentare und Diskussion. Ein Teil davon war, was ich als die OSMF kreist ein bisschen um sich selbst charakterisieren würde – ohne viel Bezug zur Realität der OSM-Community außerhalb. Aber es gab auch eine ganze Reihe interessanter und wertvoller Kommentare verschiedener Leute, und ich würde jedem mit Interesse an der OSMF nahe legen, diese im Video anzuschauen (und für die, die da waren vielleicht auch noch mal zu hören und zu überdenken).

Die Besucher

Ich hätte sehr gerne einen detaillierteren Blick auf die zahlenmäßige Zusammensetzung der Besucher der Konferenz bezüglich ihrer Herkunft geworfen wie ich es letztes Jahr gemacht habe, aber leider sind solche Informationen bis jetzt nicht öffentlich verfügbar.

Mein Eindruck ist, dass die Zusammensetzung der Besucher recht vergleichbar war mit letztem Jahr in Mailand mit zwei Unterschieden:

  1. es gab natürlich einen deutlich größeren Anteil von Besuchern aus Deutschland.
  2. es schien, als ob dadurch, dass unmittelber vor der Konferenz in Heidelberg der HOT-Summit stattgefunden hatte ein größerer Anteil der Besucher mit einem HOT-Hintergrund an der Konferenz teilnahm.

Eine bemerkenswerte Sache war, dass obwohl es in Deutschland eine recht große Gemeinschaft lokaler Hobby-Mapper gibt – möglicherweise die größte weltweit – es nur relativ wenige reine Hobby-Mapper auf der Konferenz zu geben schien. Es gibt sicher eine große Überlappung zwischen den deuschen Besuchern der diesjährigen SotM und den regelmäßigen Besuchern der FOSSGIS-Konferenz mit einem OSM-Hintergrund. Man bedenke jedoch, dass die FOSSGIS keine reine OSM-Konferenz ist und dass FOSSGIS-Besucher mit einem OSM-Hintergrund nur einen kleinen Teil der deutschen OSM-Community ausmachen – obwohl die FOSSGIS freine Eintritt für aktive Community-Mitglieder bietet. Es gab vor der Konferenz meiner Meinung nach durchaus verständliche Kritik aus der deutschen Mapper-Community daran, dass selbst mir Frühbucher-Rabatt der Eintrittspreis für die SotM für einen Hobby-Mapper ziemlich hoch ist. In Kombination mit der Tatsache, dass die Konferenz bereits recht früh ausverkauft war, hat das ein bisschen zu dem Eindruck geführt, das diese finanzielle Barriere zumindest teilweise dazu diente, professionellen Besuchern einen Vortritt vor lokalen Hobby-Mappern zu gewähren.

Und ich denke, dass jeder eine gewisse Verwunderung bei Hobby-Mappern nachvollziehen können sollte, welche möglicherweise über die Jahre tausende Stunden darin investiert haben, ihre lokale Umgebung zu mappen und für die es sich nicht richtig anfühlt, wenn sie jetzt 75 Euro dafür zahlen sollen, an einer Konferenz teilnehmen zu dürfen, wo andere, die insgesamt deutlich weniger investiert haben, ihre gesamten Reisekosten bezahlt bekommen.

Die Stipendien

Dies bringt mich zum Stipendien-Programm der SotM. Ich hatte darüber bereits vor der Konferenz etwas geschrieben, als ich jedoch nur sehr begrenzte Informationen zu zehn Stipendiaten hatte. Nun gibt es etwas mehr Daten – sowohl zu den Stipendiaten als auch zum Auswahl-Prozess.

Einige mögen sich vielleicht wundern, weshalb ich solch ein Aufheben um das Stipendien-Programm mache. Der Grund ist, dass es dabei um eine ganze Menge Geld geht – 2018 waren es mehr als 20k GBP und wenn man die größere Zahl an Stipendien bedenkt, dann ist der Betrag dieses Jahr vermutlich noch höher. Wenngleich das für die OSMF durchaus bezahlbar ist, bedeutet das nicht, dass es gut ist all dieses Geld einfach so ohne Rechenschaft und Überlegung auszugeben – Geld wohlbemerkt, welches man natürlich auch anderweitig und für andere Zwecke verwenden könnte, wo es dem OpenStreetMap-Projekt möglicherweise mehr nutzt.

Woher OSMF-SotM-Stipendiaten 2017-2019 kommen

Hier ist eine aktualisierte Karte von wo die Stipendiaten kommen – dieses Jahr wie auch die vorherigen Jahre. Meine Analyse ist jetzt nicht viel anders als vor der Konferenz. Es gibt ein paar zusätzliche Stipendiaten aus Nordamerika, Europa und und dem (zum Teil französischsprachigen) Westafrika. Die komplette Lücke im Bereich Nordafrika, Naher Osten und Zentralasien besteht aber nach wie vor.

Was wir jetzt allerdings zum ersten Mal haben sind Daten zur Herkunft der Bewerbungen um Stipendien. Diese hab ich mal versucht in den folgenden Karten zu illustrieren. Die erste davon zeigt die Gesamtzahl von Bewerbungen, die zweite die Zahlen nach der Elimination formell unzureichender Bewerbungen.

Gesamtzahl der Bewerbungen pro Land

Nach Auswahl auf Grundlage von formellen Kriterien der Vollständigkeit der Bewerbungen

Ich leite daraus hauptsächlich zwei Beobachtungen ab:

  • der Schwerpunkt auf englischsprachige Länder und frühere Britische und Amerikanische Kolonien ist in den Bewerbungs-Zahlen sogar noch größer. Ganz allgemein ausgedrückt scheint ein Großteil der geographischen Unausgeglichenheit bei der Herkunft der Stipendianten aus den letzten drei Jahren bereits in den Bewerbungen vorgeprägt zu sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Stipendien-Programm nichts dagegen tun kann. Wenn der Aufruf zur Bewerbung selektiv Leute aus bestimmten Ländern anspricht, jedoch nicht von anderswo aus der Welt, dann hat dies natürlich Gründe.
  • Es scheint aus einigen Ländern Massen-Bewerbungen gegeben zu haben (Nigeria, Uganda, Gana und Kenia mit jeweils mehr als 35 Bewerbungen). Jedoch wurden aus keinem dieser Länder am Ende Bewerbungen angenommen.

Was es jetzt auch gibt ist eine detailliertere Dokumentation des Auswahl-Prozesses – welcher jedoch nicht genauso abgelaufen zu sein scheint, wie er ursprünglich geplant war. Ein paar Beobachtungen zum Auswahl-Verfahren:

  • Wir haben eine Liste von Leuten, die bei der Bewertung der Bewerbungen beteiligt waren – die Dokumentation sagt jedoch auch, dass die Pläne zur Bewertung nicht so funktioniert haben, wie dies ursprünglich geplant war. Es gibt keine Informationen zu den Bewertungen selbst (wie etwa in Form der anonymisierten Bewertungen im Vergleich zur letztendlichen Auswahl) Siehe Anmerkung unterhalb.
  • Es gibt eine Liste von empfohlenen Kriterien für die Bewertung – viele davon sind jedoch recht vage und in Teilen auch fragwürdig. Insbesondere der Aspekt “unique story or experience to share” dürfte sehr von kulturellen Gemeinsamkeiten zwischen Bewerber und Bewerter abhängen.
  • Die Liste an involvierten Personen umfasst 13 Leute – 8 davon waren selbst Stipendiaten in 2018/2017. Ich hatte zwar letztes Jahr erwähnt, dass eine Beteiligung von ehemaligen Stipendien-Empfängern an der Auswahl durchaus sinnvoll sein könnte, hatte das aber mit der Anforderung verbunden, dass dafür Stipendien-Empfängern für die Zukunft vom Stipendien-Programm dauerhaft ausgeschlossen sein müssten. Andernfalls ergibt sich eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Art Drehtür-Prinzip etabliert wo Leute zwischen der Rolle des Stipendiaten und der des Bewerters Jahr für Jahr wechseln. Wenn man schaut, woher die ehemaligen Stipendiaten stammen, die an der Auswahl beteiligt waren (Kenya, Lesotho, Philippines, Germany, Russia, Uganda, Niger, Nepal) dann ergibt sich kein klarer Zusammenhang zur erfolgten Auswahl – während Bewerbungen aus Lesotho, den Philippinen und Nepal angenommen wurden, wurden trotz einer hohen Zahl von Bewerbungen aus Kenia und Uganda keine Stipendien dorthin vergeben. Es gibt also keine Anhaltspunkte für Begünstigungen in dieser Hinsicht im Prozess, aber das gesamte System ist in dieser Form im Grunde trotzdem sehr anfällig dafür.
  • Es scheint keine formellen Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten zu geben. Wenn man bedenkt, dass sowohl unter den Bewertern als auch unter den Stipendiaten viele einen Beruf mit einem gewissen Bezug zu OSM und Geodaten haben oder eine formelle Position in einer Organisation mit OSM-Bezug (wie zum Beispiel ein stimmberechtigstes Mitglied von HOT zu sein) dann ist das Grund zur Sorge.
  • Wie ich bereits zuvor herausgestellt habe, basiert die letztendliche Auswahl von Stipendiaten erkennbar auf einer Ensemble-Optimierung und nicht nur einer unabhängigen Bewertung der einzelnen Bewerbungen und einer Auswahl der “obersten 20”. So wie ich die Dokumentation lese, ist diese Endauswahl ohne jegliche Kontrollmechanismen von einer einzelnen Person durchgeführt worden, welche letztendlich über die Vergabe von 20k GBP alleine entschieden hat. Falls ich ein Kassenprüfer bei der OSMF wäre (was ich zum Glück nicht bin) dann wäre dies etwas, das ich nicht akzeptieren könnte.

Anzumerken ist auch, dass die Diskrepanz zwischen der sozialen Struktur der OSM-Community und der Auswahl der Stipendiaten sehr leicht zu einem selbst reproduzierendem System werden kann – selbst ohne dass ehemalige Stipendiaten bei der Auswahl involviert sind. Wenn man zum Beispiel die De-facto-Präferenz für Bewerber mit einem beruflichen OSM-Bezug oder einer formellen Position in einer Organisation betrachtet, dann ist klar, dass lokale Hobby-Mapper überall auf der Welt ohne solche Verbindungen recht schnell erkennen können, dass ihre Chancen, ein Stipendium zu bekommen, sehr gering sind und davon abhängen dürften, dass sie sich als an die professionelle OSM-Umgebung angepasst und dazu kompatibel präsentieren. Introvertierte und Menschen aus Kulturen, in denen ein deutlich anderer Kommunikationsstil dominiert, dürften so gut wie keine Chancen haben, da sie kaum dem etablierten Idealbild eines SotM-Stipendiaten entsprechen können.

Insgesamt gesehen denke ich, dass unabhängig von der Zukunft der SotM als ganzes der OSMF-Vorstand das Stipendien-Programm in der derzeitigen Form absetzen sollte. Selbst wenn ich für den Moment mal allen Beteiligten die Gunst des Zweifels gewähre und annehme, dass alle selbstlos versuchen, ihr Bestes für eine gerechte Auswahl der Bewerber zu tun, ist das Ganze im Grunde ein Desaster, welches darauf wartet, zu passieren – entweder durch vorsätzliche Begünstigungen und Korruption oder auch nur einfach durch Inkompetenz. Für keine dieser Möglichkeiten scheinen Mechanismen zu existieren, die das verhindern würden.

Jegliche Art von Stipendien oder sonstiger finanzieller Unterstützungen (und ich denke hier explizit auch an Ideen wie Microgrants – welche leider möglicherweise auf dem Weg in eine ganz ähnliche Richtung sind) müssten meiner Meinung nach zwingend aus der Gemeinschaft der Hobby-Mapper heraus gemanagt und breit unterstützt werden. Die Tatsache, dass anscheinend im Moment kaum jemand aus der Community daran interessiert ist, sich bei der Organisation des Stipendien-Programms zu engagieren, sollte dem OSMF-Vorstand und der SotM-WG eigentlich verdeutlichen, dass hier ernsthaft etwas geändert werden muss. Selbst wenn (oder genauer: gerade wenn) Leute denken, dass die Stipendien wichtig sind, sollte sie versuchen, auf einen Neustart des Programms mit einem klaren Mandat und einer soliden ethischen und prozeduralen Grundlage hinzuwirken. Dies würde vor allem auch potentiellen Freiwilligen die Gewissheit verschaffen, dass sie sich guten Gewissens bei der Organisation von etwas engagieren können, was dem Projekt tatsächlich zu Gute kommt. Die detailliertere Dokumentation, die wir dieses Jahr zum tatsächlichen Ablauf des Auswahl-Prozesses haben ist eine positive Entwicklung die ich sehr zu schätzen weiß, aber im wesentlichen illustriert sie für mich vor allem das Fehlen von und den dringenden Bedarf für ein ordentlichen Rahmenwerk und verbindlichen Regeln und Kontrollmechanismen.

Ergänzung: Es wurden eine ganze Reihe weiterer Informationen und Daten ergänzt nachdem ich begonnen habe diesen Beitrag zu schreiben. Jeder ist angehalten, diese zu studieren, um sich ein detaillierteres Bild zu machen.

Die Zukunft der SotM

Damit komme ich zum letzten Teil und einem erneuerten kritischen Blick auf die Idee der SotM-Konferenz als Ganzes. Ich habe bereits zuvor meine Bedenken hierzu formuliert, insbesondere was die Illusion angeht, dass die SotM eine Konferenz für die gesamte OSM-Community ist. Nächstes Jahr ist geplant, dass die Konferenz in Kapstadt, Südafrika stattfindet. Das macht mir persönlich die Entscheidung recht einfach, denn die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass ich dorthin reisen werde – zumindest nicht auf eigene Kosten. Grob geschätzt würde ich für den Preis eines Besuches der SotM in Kapstadt vermutlich die meisten lokalen OSM-Konferenzen in Europa besuchen können, und dabei deutlich mehr unterschiedliche Leute treffen. Diese Variante scheint mir in vielerlei Hinsicht attraktiver als ein einzelner Besuch in Südafrika.

Als ich das erste Mal vorgeschlagen hatte, die gesonderte internationale SotM-Konferenz aufzugeben und dass stattdessen die OSMF jedes Jahr eine ausgewählte regionale Konferenz gezielt unterstützen könnte, waren die meisten Reaktionen eher negativ. In Gesprächen auf der SotM dieses Jahr zur Zukunft der Konferenz habe ich jedoch deutlich mehr Leute gehört, die dieser Idee im Grunde zustimmen würden. Insgesamt gibt es denke ich zwei mögliche Entwicklungsrichtungen für die Zukunft:

  • Die Idee einer internationalen SotM aufgeben und stattdessen rotierend lokalen/regionalen Konferenzen, welche vollständig von der lokalen Mapper-Community geplant und organisiert werden, gezielt zu unterstützen. Das Ziel könnte hierbei zum Beispiel sein, finanzielle Unterstützung bereit zu stellen (entweder durch eigenen Mittel der OSMF oder durch Vermittlung von Sponsoren), die es der jeweiligen Konferenz erlaubt, lokalen Community-Mitgliedern freien Eintritt zu bieten und damit eine breite Zugänglichkeit für lokale Mapper zu gewährleisten. Zusätzlich könnte die OSMF auch Video-Aufnahmen der Veranstaltungen und Live-Übertragungen organisieren, wodurch eine größere Reichweite erreicht würde und eine gewisse Beteiligung ermöglicht würde auch ohne eine teure und ressourcenintensive Anreise.
  • Die Illusion aufgeben, dass die SotM eine Community-Konferenz ist und sich auf den derzeitigen tatsächlichen Schwerpunkt konzentrieren: Ein Treffen professioneller OSM-Nutzer und einer internationalen OSM-Elite, wofür zusätzlich noch ein paar lokale der OSM-Community des Ortes der Konferenz eingeladen werden.

In der Diskussion zum Ort für die Konferenz im nächsten Jahr (die Entscheidung wurde in der letzten Minute auf der Konferenz gefällt) gab es die Wahl zwischen zwei Bewerbungen – Rapperswil und Kapstadt – welche beide selbst ohne die Anreise-Kosten eher auf der teuren Seite liegen. Die dokumentierten Kriterien für die Auswahl des Konferenz-Ortes machen es im Grunde auch unmissverständlich klar, dass dies nicht als Community-Konferenz konzipiert ist, sondern primär an den Interessen geschäftlicher Besucher und wohlhabender kosmopolitischer Hobbyisten ausgerichtet ist. Die Erschwinglichkeit eines Besuches findet sich nirgendwo als Kriterium auf der Liste. In gewisser Weise sind wir also schon recht weit auf dem Weg zur zweiten skizzierten Variante. Ein breiteres Bewusstsein in der Community für diese Tatsache – und die Wahl von Kapstadt für nächstes Jahr könnte dies weiter unterstreichen – könnte jedoch auch verstärkte Unterstützung für die erste Variante erzeugen.

Und nur für den Fall, dass sich irgendjemand das fragt – dieser Kommentar wäre sehr ähnlich ausgefallen, wenn die Entscheidung auf Rapperswil gefallen wäre. Meine persönlichen Kosten für eine Besuch in Rapperswil wären natürlich geringer gewesen als für Kapstadt aber das liegt ausschließlich an der unterschiedlich weiten Anreise. Die lokalen Kosten wären in Rapperswil vermutlich sogar höher. Für die meisten Besucher von außerhalb Europas wäre der Unterschied vermutlich eher gering.

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